Am letzten Wochenende im Januar fand das diesjährige Treffen des überbündischen Netzwerkes „Tabubruch“ in der schönen Pfadfinderbildungsstätte Sager Schweiz statt. Trotz (oder wegen) des Umstandes, dass zuvor wegen der Corona-Pandemie zwei Jahre lang „nur“ ein Online-Treffen erfolgte, war es mit 48 Teilnehmenden erneut stark besucht. Darunter auch Teilnehmerinnen, die knapp 1000 Kilometer aus Wien angereist waren.
Unter dem Motto „Hinsehen. Zuhören. Ansprechen.“ finden unter dem „Dach“ von Tabubruch Bündische und Pfadfinder*innen vieler verschiedener Bünde, Veranstaltungen und Einrichtungen aus ganz Deutschland (und inzwischen auch Österreich) zueinander, die sich für das Thema Prävention, Intervention und/oder Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch engagieren. Egal ob „offiziell“ mit Mandat versehen oder aus Eigeninitiative heraus; egal ob jung oder junggeblieben; frisch am Thema oder erfahrene Fachkraft.
Das Netzwerktreffen ist eine jährliche Veranstaltung und dient dem Austausch von Wissen und Erlebnissen. Es bietet den Rahmen, in dem Austausch und gegenseitige Unterstützung erfolgen. Im Mittelpunkt stehen hier die Bedürfnisse, Fragen und Interessen der Teilnehmenden. Sie selbst bringen die Themen mit, welche sie bearbeiten möchten und daraus ergeben sich die Gesprächskreise oder Impuls-Vorträge. Ein echtes Erfolgsmodell.
In zwei Impulsvorträgen wurden diesmal die Themen „Trauma“ und „Schutzkonzept“ behandelt. Die Gesprächskreise zu den von den Teilnehmenden mitgebrachten etwa 15 Themen reichten von Einbindung von Betroffenen, Aufarbeitung, Grenzen der organisationsinternen Intervention, erfolgreichen Grundsteinlegung der gegenseitig abgestimmten Prävention und Intervention bei überverbandlichen Veranstaltungen bis hin zu der Idee eines einheitlichen Erkennungszeichens der Ansprechpersonen für Prävention bei überbündischen Singewettstreiten und auf Schiffen. Sicherlich gibt es auch Fragen, die trotz langer Diskussion noch nicht abschließend geklärt werden konnten. Wie können Tabubrechende einerseits Verantwortung übernehmen und andererseits Selbstfürsorge nicht aus dem Blick verlieren? Wie können Tabubrechende Hemmschwellen abbauen und noch niedrigschwelliger ansprechbar werden?
Es sind nicht wenige unter den Teilnehmenden, die sich (inzwischen) durch Fortbildungen professionell weitergebildet haben oder sogar beruflich mit dem Thema befasst sind, sei es als insofern erfahrene Fachkraft, Mediator*in, Fachkraft für Aufarbeitung, Traumapädagog*in oder ähnlichem. Das Treffen bietet den Rahmen, ganz konkrete Fragen und Probleme in vertraulichem Rahmen anzusprechen und praktikable Antworten zu erhalten, die gut umgesetzt werden können. Es ist jedes Jahr aufs Neue beeindruckend, was für motivierte, engagierte und kompetente Menschen hier gemeinsam daran arbeiten, unsere Gruppen, Orte und Veranstaltungen zu sicheren Orten zu machen. Dies trägt dazu bei, dass ein Teil der Bünde hinsichtlich der Qualität seiner Präventionsarbeit den Vergleich mit „professionellen“ Einrichtungen nicht zu scheuen braucht. Die Motivation und das Engagement machen hier den Unterschied.
Auch für Teilnehmende mit konkreten Sorgen und Problemen und jene, die noch am Anfang stehen, bieten diese Treffen die jährlich wiederkehrende Möglichkeit, sich benötigten Input und konkrete Hilfestellungen und Tipps zu holen. Es ist Jahr für Jahr aufs Neue beeindruckend, wie gut diese gegenseitige Hilfe und Unterstützung gelingt.
almi